Das Gemälde zeigt eine extravagante Dame, die in Ihrem ausdrucksstarken Gestus und Habitus ihre Überlegenheit, Exklusivität und Noblesse repräsentiert. Sie ist stark geschminkt, mit grünem Lidschatten und langen Wimpern, markanten Augenbrauen und pinken Lippen. Ihre schwarzen Haare sind sorgfältig hochgesteckt und ganz im Stil der 1960er Jahre turmartig toupiert. Das weit ausgeschnittene lilafarbene Trägerkleidchen mit Spitzenbesatz lässt ihre Schlüsselbeine und ihren schlanken, geradezu knöchrigen Arm erkennen. Die Details ihrer Physiognomie sind abstrakt dargestellt und auf wesentliche Grundzüge reduziert. Bedeutend für die kompositorische Gestaltung sind ihr kritisch gesenkter Blick auf die langen, pink manikürten Fingernägel, sowie die grazile Haltung ihrer Hände und das Abspreizen der Finger. Keines Blickes wird der Betrachter von der Dame gewürdigt.
Das Kolorit, indem das Portrait der Dame gehalten ist, geht auf das gesamte Werk über, so färbt Dix das Umfeld, den Raum und Hintergrund des Portraits ebenfalls in scharfgeformten rosa-lila, grün-türkisen und schwarzen Farbflächen, als würde er dadurch die Aura der Dame einfangen.
Der Mensch in Ausnahmesituationen
Will man das das Portrait der „Mondänen Dame“ in das Schaffen des Künstlers einordnen, ist es wesentlich den Krieg dabei nicht außer Acht zu lassen. Der Krieg hat den Maler Otto Dix zutiefst geprägt, sodass er selbst erklärt: „Ich habe den Krieg genau studiert. Man muss ihn realistisch darstellen, damit er auch verstanden wird. Ich glaube kein anderer hat wie ich die Realität des Krieges so gesehen: Die Entbehrungen, die Wunden, das Leid“. Eben dieses Grauen weiß der Künstler in seinen Werken zu dokumentieren, um somit das Menschliche Wesen in seiner umfassenden Gesamtheit besser greifen zu können.
Nach seiner Philosophie, die an Friedrich Nietzsche und seiner eigenen christlichen Auffassung angelehnt ist, muss man den Menschen in Ausnahmesituationen erleben, um ihn ganz und gar verstehen und somit auch abbilden zu können. An dieses Manifest hält sich der Künstler und entwickelt seinen eigenen Stil, der eben davon durchdrungen ist.
So seid ihr, so ist das Leben und ihr seid so interessant, so wertvoll, so malenswert, dass ihr gemalt werdet!
Otto Dix
Seine ersten Arbeiten entstehen auf dem Schlachtfeld. Im Ersten Weltkrieg steht der junge Dix selbst im Schützengraben und muss an der Front das Maschinengewehr abfeuern. Tod, Verletzung, Schmerz sind über Jahre sein Umfeld, das er beobachtend in seine anfänglichen Werke aufnimmt, um selbst diese katastrophalen Umstände verarbeiten zu können. Seine künstlerisch-handwerkliche Lehre beginnt er bereits vor dem Krieg an der Kunstgewerbeschule in Dresden und verfolgt sie nach dem Krieg weiter an der Akademie. Während dessen beschäftigt sich der Künstler auch mit den Strömungen seiner Zeit, der Abstraktion, der er jedoch schnell den Rücken kehrt und stattdessen weiter seine eigene Formensprache entwickelt.
Von Düsseldorf nach Berlin: Enthüllung der menschlichen Psyche in seinen Portraits
Durch diese und den Umzug nach Düsseldorf, der damalige Ort des Jungen Rheinlands, erfährt er durch Johanna Ey, eine Koryphäe dieser Kunstszene Unterstützung. Otto Dix schreibt sich in die Kunstakademie ein und kann Verkäufe verzeichnen sowie erste Auftragsarbeiten annehmen. Zu dieser Zeit entstehen Portraits, die dem Maler Aufmerksamkeit bescheren. Ebenso trifft er in seinen freien selbstständigen Arbeiten einen Nerv der Gesellschaft: er zeigt das Leben wie es ist, Charaktere, Verborgenes, Schönes und Hässliches, Jugend und Alter in all ihren Facetten.
Dazu holt er den Betrachter nah heran und offenbart Laster und Ängste der Menschen. Verborgene Triebe der menschlichen Psyche werden in den folgenden Jahren in der ganzen Blöße gezeigt. Selbst erklärt Dix dazu: „Es ist notwendig, dass man denen die bittere Pille gibt und sagt: Nun seht mal an! So seid ihr, so ist das Leben und ihr seid so interessant, so wertvoll, so malenswert, dass ihr gemalt werdet!“
Oft handeln seine Werke von Widersprüchen der Gesellschaft, die eine Vergangenheit des Krieges zu verdrängen versucht und mit lustvollen Freuden selbst zu übermalen wagt. Vor allem in Berlin, der großen Stadt in die es ihn zieht und ihm eine Motivvielfalt bieten soll. Seine eigenen Kriegserfahrungen sind dabei weiterhin in seiner Kunst wegweisend. So öffnet sich der Künstler der Stilrichtung der Neuen Sachlichkeit und formt seine Werke zum Spiegel seiner Zeit.
Die 1920er Jahre weisen Extremfiguren auf, Prostitution, Bühne, Theater, Tanz und sind voller Lust, bis die Werke des Künstlers wegen Unsittlichkeit verboten wurden. Von den Nationalsozialisten wurde Otto Dix, als einer der ersten Künstler, verfemt. Er verlor seine Professur an der Kunstakademie in Dresden und musste hinnehmen, wie sein Eigentum teils zwangsversteigert wurde. Auf der Propagandaausstellung „Entartete Kunst“ wurden zahlreiche seiner Werke gezeigt. Otto Dix galt als unsittlicher Wehrsaboteur und durfte infolgedessen nicht mehr ausgestellt werden. 1939 wurde der Künstler vorübergehend von der Gestapo inhaftiert. 1945 geriet er in französische Kriegsgefangenschaft, durfte aber weiter als Künstler arbeiten.
Die Kunst der Veränderung: Otto Dix und die Nachkriegsjahre
Die Nachkriegsjahre sind für den Künstler desillusionierend, doch malt er weiter und weiter, bis er sich im Spätwerk dem Expressionismus öffnet, wozu auch das Portrait der „Mondänen Dame“ zählt. 1965 malt Otto Dix das eingangs beschriebene Gemälde, das mit „Frau Heiss, geborene Fischer“ bezeichnet ist. Merkmale dieser Stilrichtung, wie den groben Pinselduktus, die Farbgewalt und die spitzen Formen, vereint der Künstler in seinem Portrait der „Mondänen Dame“ ebenso wie seine selbst erarbeiteten Gestaltungsmittel, die aus seinem Werdegang hervorgetreten sind.
In der Dokumentation des deutsch-französischen Senders arte wird das Gemälde der Mondänen Dame in seinem Atelier in Hemmenhofen am Bodensee stehend gezeigt. Dort fand Otto Dix seine neue Heimat und die seiner Bilder.
Die „Mondäne Dame“ schließt stilistisch an seine römischen Bildnisse, insbesondere an solchen aus den frühen 1960er Jahren, an. Sowohl von der Malweise, als auch vom Motiv und der Morbidezza, ist die „Mondäne Dame“ (1965/3) mit der „La Contessa“ (1962/3) und der „Römerin im Blauen Kleid“ (1962/4) zu verbinden, die allesamt dem Werkverzeichnis des Künstlers zu entnehmen sind. In seinen letzten Schaffensjahren erhielt Dix zahlreiche Ehrungen, darunter im Jahre 1959 Bundesverdienstkreuz und 1966 die Ehrenbürgerwürde der Stadt Gera.
Saalauktion mit Otto Dix im Dezember
Wir sind erfreut, Ihnen in unserer großen Saalauktion im Dezember 2023 das Portrait der ‚Mondänen Dame‘ anzubieten, welches den gesamten Werdegang des Künstlers vereint!
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